26 - Ciudad Perdida und mehr Meer      Oktober - November 2010

Als nächstes Abenteuer wollen wir in die Ciudad Perdida, eine erst vor knapp 40 Jahren von Grabräubern entdeckte Ruinenstadt der Tayronas auf 1'200 m.ü.M. Diese Stätte ist nur zu Fuss erreichbar und so buchen wir die 5-tägige Wanderung. Ausgangspunkt des Trekkings ist das Dorf El Mamey, wo wir auf die anderen Teilnehmer der Tour treffen. Und wir kriegen eine Ahnung davon wie unsere Zukunft aussehen könnte, als eine völlig verschwitzte und stinkende Horde von ihrem Trip zurückkommt und sich auf ein kaltes Bier stürzt. Aber noch duften unsere Socken nach Waschmittel und wir wandern frohgemut los.

Auf abenteuerlichen Wegen geht es Richtung verlorene Stadt, wir durchwaten tiefen Schlamm, klettern über Felsbrocken und dicke Wurzeln, überqueren mehrmals mit Sack und Pack den Rio Buritaca und immer wieder geraten wir an schier endlose, steile Pfade und mühen uns in glühender Hitze hinauf und hinunter. Und nach besonders tückischen Stellen zaubern unsere Guides frische Orangen oder Ananas aus ihren Rucksäcken und unsere müden Körper tanken neue Energie. Je weiter wir kommen, desto schöner wird die Landschaft und wir laufen durch üppigen, wilden Wald mit vielen klaren Bächen und kleinen Wasserfällen.

Jeweils am Nachmittag erreichen wir unsere Unterkunft, einfache, offene Holzbauten mit aufgespannten Hängematten oder aus ein paar Brettern gezimmerte Betten. Dankbar sind wir für die Moskitonetze, so haben unsere zerstochenen Beine wenigstens in der Nacht eine Ruhepause. Die Lager liegen immer an einem Fluss und so können sich unsere total überhitzten Körper täglich mit einem Sprung ins eiskalte Nass erfrischen. Währenddessen wird für uns auf dem Feuer ein Nachtessen zubereitet. Wir erwarteten schlichte Mahlzeiten, aber serviert wurde vom Feinsten, z.B. Saftplätzchen, Gemüse an würziger Sauce, Reis und frischer Salat. Sozusagen als Dessert setzen wir uns alle zusammen und Walter, er leitet diese Touren schon seit Jahren, stimmt uns in stoischer Ruhe mit einem philosophischen Gespräch auf den nächsten Tag ein. Mit Sylvia und Geri aus Österreich gönnen wir uns noch einen Absacker und quatschen bis alle anderen im Bett sind. Nun ist aber auch für uns Zeit, denn Tagwache ist noch vor Sonnenaufgang.

Am vierten Tag ist es soweit, der Aufstieg zur Ciudad Perdida steht bevor. Der Eingang zur verlorenen Stadt führt über eine steile Treppe, mit mehr als 1'600 bemoosten und glitschigen Stufen die es zu überwinden gilt. Oben angekommen bricht das goldene Morgenlicht durch das Blätterdach und verzaubert unsere Umgebung in ein Spiel von grünem Funkeln und dunklen Schatten. Völlig gebannt und staunend laufen wir wie durch ein verwunschenes Märchen und erkunden diesen mystischen Ort. Die Stadt besteht aus unzähligen, verschieden grossen und runden Steinterrassen, auf welchen früher die Holzhäuser der Tayrona standen. Alles ist miteinander über Steinwege und Treppen verbunden und eingebettet zwischen hohen Laubbäumen und Palmen und mit Moos, Farn und Gräsern überwachsen. Einige wenige Soldaten wachen hier, aber sonst treffen wir niemanden an und unsere 12-köpfige Gruppe kann diese riesige Anlage ganz alleine erkunden. Die Ruinen sind vielleicht nicht so spektakulär ausgearbeitet wie wir es von den Bauten der Inka kennen, aber der Gesamteindruck dieser geheimnisvollen, wilden und verträumten Stätte macht dies mehr als wett. Es ist ein absolut bewegendes Erlebnis.

Den Rückweg marschieren wir in nur eineinhalb Tagen und je tiefer wir kommen, desto heisser wird es und umso weniger Schatten hat es. So lange Meter wie die letzten Meter haben wir schon lange nicht mehr erlebt, aber wir kommen in El Mamey an und jetzt sind wir es, die sich stinkend und schwitzend auf ein kaltes Bier stürzen. Im Hotel wird ausgiebig und kalt geduscht und trotzdem liegen wir mit einem Sonnenstich, aber glücklich und zufrieden, darnieder.

Über Cartagena fahren wir mit Bus, Schiff und Taxi nach Mompox. Je näher wir kommen, desto klarer zeigt sich hier das Ausmass der Überschwemmungen. Ganze Felder und Wiesen versinken im sumpfigen Nass, mit dem Boot fahren wir an Bäumen und Strommasten vorbei, Häuser stehen knietief unter Wasser, einige Leute fahren mit Kanus zu ihren Gehöften, andere haben am Strassenrand Notfallhütten aus Sandsäcken, Brettern und Plastikplanen gebaut. Die Kinder haben Freude und plantschen, schwimmen oder fischen im unendlichen See.

In Mompox selber zeugen graue und schwarze Schimmelspuren an Häusern und Kirchtürmen von der immensen Feuchtigkeit und uns kommt es vor, wie wenn überall ein modriger Geruch kleben würde. Trotzdem fasziniert uns diese alte Kolonialstadt sehr. Eine besondere Stunde ist die Abenddämmerung, da sitzen Alt und Jung in ihren Schaukelstühlen vor der Haustüre, schwatzen miteinander und beobachten sanft hin und her wiegend das Strassenleben. Angetan hat es uns diese Stadt auch wegen ihrem Wappen: ein weisses Kreuz auf rotem Grund.

Am 11.11. sind wir wieder in Cartagena und zu unserer Überraschung wuselt es in den Strassen überall von Leuten mit knalligen Perücken und bemalten Gesichtern. Neugierig lassen wir uns mit der Menge treiben und kommen zur Stadtmauer, die bis auf den letzten Stein mit Menschen übersät ist. Auf der anderen Seite ziehen Musik- und Tanzgruppen, Polizeieskorten und die obligaten Schönheitsköniginnen vorbei. Das Publikum feiert mit viel Bier, Aguardiente und Rum und besprüht sich, uns und alle anderen freudig und ausgiebig mit Rasierschaum. Wir wundern uns, dass auch hier am Elften Elften die Fasnacht gefeiert wird, realisieren aber bald, dass es sich hier um den 199. Jahrestag der Unabhängigkeit von Cartagena handelt.

In zwei Wochen läuft unser kolumbianisches Visum ab, bis dahin gönnen wir uns einen Abstecher auf die Karibikinseln San Andrés und Providencia. Sofort wird klar, dass diese Inseln weit ab von Kolumbien liegen, es herrscht hier ein Sprachmix von Karibisch-Englisch und Spanisch und auch die Produkte in den Regalen sind international zusammengewürfelt. Von San Andrés fliegen wir mit einer 19-plätzigen Propellermaschine auf die Insel Providencia. Sie ist noch kleiner, dafür ragen zu unserem Erstaunen einige bewaldete, steile Berge bis über 360 Meter in die Höhe. Wir besteigen den höchsten von allen, den "Peak", bewundern das Rundum-Panorama und versuchen uns das tägliche Leben auf einer Insel von nur 17km2 vorzustellen. Glücklicherweise finden nur wenige Touristen den Weg hierher und wir schätzen das ruhige Leben ausserordentlich und widmen uns ausgiebig dem süssen Nichtstun und lesen am Strand im Schatten der Palmen viele Bücher. Unterbrochen wird die Ruhe einzig vom lauten Knall einer herunterfallenden Kokosnuss.

Ein Höhepunkt ist unser Schnorcheltag in einem der grössten Barriereriffe der Welt. Wir sind vom kristallklaren Wasser und der Unterwasserwelt vollends begeistert und schwimmen in einer reichen Pflanzenwelt, inmitten von schillernden Fischschwärmen über das wunderbare Korallenriff. Drei silbrig schimmernde Tintenfische ziehen elegant an uns vorbei, wir beobachten wie zwei Rochen Bauch an Bauch durchs Wasser schwebend, sich zitternd dem Liebesspiel hingeben und werden kurz darauf Zeugen des dramatischen Kampfes einer verzweifelten Krake gegen die blitzschnellen Zähne einer gefrässigen Moräne.

Schon nach kurzer Zeit fühlen wir uns auf Providencia pudelwohl. Hier in der Fresh Water Bay erkennen und grüssen uns die Einheimischen mit einem Lächeln und am Strassenrand genügt ein Winken damit ein Pickup hält und uns auf der offenen Ladefläche mitnimmt. Wir geniessen den unkomplizierten und friedlichen Umgang der Leute, Kriminalität scheint an diesem Ort ein Fremdwort zu sein. Das Inselleben war für uns eine neue und grossartige Erfahrung und wir können uns gut vorstellen, dass Pirat Henry Morgan hier seine "Schatzinsel" fand. 

Wieder zurück in Cartagena stehen wir schon am nächsten Tag am Flughafen und schauen sehnsüchtig auf die 90 wunderschönen Reisetage in Kolumbien zurück.

© 2009 dos en camino :: cms: netzton